Formel 1: Fernando Alonso glänzt bei seinem Comeback mit Alpine wie zu besten Zeiten. Ein Gespräch mit dem Doppelchampion über Michael Schumacher, das Alter von Rennfahrern, Sebastian Vettel und Ferrari
Von: Bianca Garloff und Ralf Bach
Er ist der Pilot, der Rekordchampion Michael Schumacher entthront hat. Obwohl der Spanier Fernando Alonso (40) 2005 und 2006 mit Renault „nur“ zwei WM-Titel gewann, wird er von den Experten in einem Atemzug mit Juan-Manuel Fangio, Jim Clark, Ayrton Senna, Michael Schumacher und Lewis Hamilton als einer der besten Rennfahrer aller Zeiten genannt.
Grund: Alonso hätte locker fünfmal Weltmeister werden können. 2007 verhinderte der interne Zwist bei McLaren den Erfolg, 2010 und 2012 ein unterlegener Ferrari den Titel. Trotzdem konnte Alonso bis zum letzten Rennen den WM-Fight offen halten.
MEHR LESEN: SO SEHEN SIE DIE FORMEL 1 IM TV
Dazu kommt: Der Spanier errang seine 32 GP-Siege mit drei verschiedenen Marken (Renault, McLaren und Ferrari) und drei verschiedenen Motoren (Mercedes, Renault und Ferrari). Das gelang nur dem legendären Manuel Fangio. Und: Alonso gewann die 24 Stunden von Le Mans und hätte auch fast bei den legendären 500 Meilen von Indianapolis triumphiert – nur ein Motorschaden kurz vor Schluss konnte den in aussichtsreicher Position liegenden Spanier stoppen.
Selbst in der Rallyeszene hinterließ er bleibenden Eindruck. Bei der Rallye Paris-Dakar holte Alonso einen zweiten Etappenrang. F1-Insider.com unterhielt sich exklusiv mit dem Spanier, der heute mit 40 Jahren in der Königsklasse mit seinem Alpine-Renault immer noch Weltklasseleistungen bringt.
Fernando Alonso, Max Verstappen hat sich als großer Fan von Ihnen geoutet. Macht es sie stolz, dass junge Supertalente wie Verstappen, die gerade um den Titel fahren, von Ihrem Fahrstil schwärmen?
Fernando Alonso (40): Ja, das ist nett zu hören. Die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit. Ich habe schon im letzten Jahr gesagt, als Max noch nicht um den Titel gefahren ist und ich gerade eine Formel 1 Pause machte: Ich schaue mir nur wegen zwei Fahrern die Rennen an: wegen Max und wegen George Russell. Weil das die beiden Fahrer sind, die speziell sind, die den Unterschied machen. Die mehr aus der eigentlichen Leistungsfähigkeit ihrer Autos herausholen. Der Rest der Piloten fuhr nur die Resultate ein, die der Performance ihrer Autos entsprachen.
Russell und Verstappen sind wesentlich jünger als Sie. Trotzdem bringen Sie auch mit 40 Jahren noch Weltklasseleistungen. Wie machen Sie das?
Das hat mit der Eigenart der Formel 1 und des Motorsports zu tun. Wir reden nicht von Fußball, Tennis oder Basketball. Da wäre das so kaum möglich. Motorsport ist nicht so sehr altersabhängig. Beispiel: Ein Mercedes-Pilot ist 36, einer von Haas knapp über 20. Der Mercedes-Pilot gewinnt, der andere wird letzter. Das hat aber hauptsächlich mit der Leistungsfähigkeit ihrer Autos zu tun. Was wichtig ist: Du musst fit sein, du musst motiviert sein. Beides bin ich. Nach den zwei Jahren Pause kommt bei mir nochmal eine frische Energie dazu. Ende 2018 waren meine Batterien ziemlich leer, ich fühlte mich ausgelaugt. Ich hörte auf, auch weil keine richtige Freude mehr spürte. Im Gegensatz zu heute.
Was wäre möglich, wenn Sie in einem Mercedes oder Red Bull fahren würden?
Das ist schwierig zu beantworten. Aber, ja, ich würde mir zutrauen um den Titel zu fahren. Aber Lewis und Max machen einen super Job in ihren Teams. Deshalb gibt es keine klare Antwort darauf.
Warum glauben Sie, sind Sie heute sogar besser als 2005 und 2006, als Sie im engen Kampf gegen Michael Schumacher ihre beiden WM-Titel gewonnen haben?
Hauptsächlich, weil ich erfahrener bin. Ich weiß besser, was ein Auto im Rennen braucht, um schnell zu sein. Ich kann heute besser mit Druck umgehen. Ich weiß auch heute viel besser, wie man sich optimal auf ein Rennwochenende einstellt und vorbereitet. Nicht nur am Rennwochenende selbst, sondern auch in der Zeit davor. Wichtig ist auch, wie man 100 Prozent aus dem Auto und dem Team herausholt. Das hat viel mit Erfahrung zu tun. Dabei lerne ich in meinem Comeback-Jahr jedes Wochenende dazu. Zum Beispiel bin ich noch nicht perfekt im Qualifying, wenn es darum geht, den optimalen Grip der Reifen zu spüren. Da bin ich im Moment vielleicht bei 80 Prozent. Im nächsten Jahr sollte es dann nahezu perfekt sein.
Sie sagen, Sie sind heute besser als früher. Was würden Sie heute anders machen als beispielsweise 2007, als Sie bei McLaren nur deshalb nicht Weltmeister wurden, weil Sie das Team nicht unterstützt hat?
Ich wäre heute egoistischer. Ich war zu blauäugig. Ich glaubte zu sehr an Gerechtigkeit, zu sehr an Fairness. Zu sehr an das Gute im Menschen. Am Ende stand ich alleine da im Team, weil alle anderen nur an sich dachten.
Kommen wir zurück auf die Jahre 2005 und 2006. Sie waren der erste, der Michael Schumacher mit gleichwertigen Waffen schlagen konnte. Wie wichtig war das für Sie damals und auch heute noch?
Das war sehr speziell. Weil wir als Team bei Renault immer stärker wurden. 2003 war schon gut, 2004 war noch besser, 2005 waren wir dann soweit. Ich war damals 24 Jahre alt und konnte DIE Legende unseres Sports besiegen. Das war früher, als ich erwartete und machte mich enorm stolz. Aber es war nicht leicht zu handeln. Mein ganzes Leben änderte sich auf einen Schlag. Damit war nur sehr schwierig umzugehen. In diesem Alter kann man noch nicht mit all den Emotionen umgehen, die auf dich einprasseln. Und das jedes Wochenende.
Trotzdem: Was konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen? Was konnten Sie von Michael Schumacher lernen?
Ich lernte vor allen Dingen eins von ihm: Gib niemals auf! Ein Beispiel: Damals kam es öfters vor, dass die Michelin-bereiften Autos wie wir oder die Bridgestone-bereiften wie der Ferrari von Michael große Vorteile auf den verschiedenen Rennstrecken haben konnten. Trotzdem, wenn ich auf Pole stand, war er immer Zweiter oder Dritter. Und nicht Sechster. Er wusste: Wenn er einmal nicht gewinnen konnte, war er mit dem zweiten Platz mit dem Maximum zufrieden und richtete sein Rennen danach aus. Er dachte nur an die WM und das war für mich als junger Kerl damals extrem lehrreich.
Was hat er Ihnen gesagt, als Sie ihn zweimal schlagen konnten?
Er war immer nett zu mir, wir hatten eine Menge Respekt voreinander. 2006 war er sehr emotional nach dem letzten GP, da es ja sein vorerst letztes Rennen in der Formel 1 war. Aber trotzdem hat er mir immer das Gefühl gegeben, dass er mir meinen Erfolg von ganzem Herzen gönnt und ich den Titel genießen soll. Er sagte immer: „Enjoy and have fun!“
Mit welchem Gefühl fahren Sie heute gegen seinen Sohn Mick? In Imola hat er ganz stolz erzählt, dass er ein tolles Duell mit ihnen hatte und Erinnerungen in ihm hochkamen, weil Sie einst auch mit seinem Vater gerade in Imola heftige Zweikämpfe hatten…
…es ist in der Tat etwas Besonderes, ihn in der Formel 1 zu haben. Er hat die gleichen Kürzel wie sein Vater auf dem Zeitenmonitor. Das finde ich sehr bewegend. Ich mag ihn sehr, ich mag seine Art, ich mag sein ganzes Auftreten in der Formel 1. Er erinnert mich sehr an seinen Vater. In der Körpersprache, in der Mimik, mit fast allem. Ich kann ihm nur wünschen, dass er bald ein konkurrenzfähiges Auto haben wird. Dann wird er seinen Weg gehen.
Sie haben eine Sache mit unserem anderen deutschen Fahrer gemein: Obwohl Sie beide hochdekorierte Champions sind, konnten Sie nicht mit Ferrari Weltmeister werden. Haben Sie darüber mal mit Sebastian Vettel darüber geredet?
Nein. Obwohl wir öfters enge Kämpfe hatten, als ich im Ferrari und er im Red Bull unterwegs war. 2012 hatte er sogar im letzten Rennen ein wenig Glück, mit einem arg lädierten Red Bull noch das Rennen zu beenden. Wir haben es beide mit Ferrari versucht, sind teilweise nah rangekommen, haben es aber am Ende nicht geschafft. Vielleicht war Ferrari zu unseren Zeiten noch nicht wieder bereit, einen Weltmeister im Cockpit zu haben. Ich denke, jetzt haben sie ihre Planung umgestellt. Die Erwartungshaltung ist nicht mehr so hoch, sie fahren mit jungen Piloten. Sie denken jetzt eher in längeren Perioden, nicht mehr zu kurzfristig.
FOLGT UNS AUF YOUTUBE!
DAS IST F1-Insider.com!
1. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes 1:22,868 Min.
2. Valtteri Bottas (Finnland) – Mercedes +0,130 Sek.
3. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull +0,328
4. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari +0,397
5. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpha Tauri +0,458
6. Fernando Alonso (Spanien) – Alpine +0,609
7. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +0,838
8. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +1,086
9. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +1,437
10. Yuki Tsunoda (Japan) – Alpha Tauri +1,500
11. Sebastian Vettel (Heppenheim) – Aston Martin 1:24,795
12. Esteban Ocon (Frankreich) – Alpine 1:24,842
13. George Russell (Großbritannien) – Williams 1:25,007
14. Mick Schumacher (Gland/Schweiz) – Haas 1:25,200
15. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari 1:25,177
16. Daniel Ricciardo (Australien) – McLaren 1:25,881
17. Nicholas Latifi (Kanada) – Williams 1:26,086
18. Antonio Giovinazzi (Italien) – Alfa Romeo 1:26,430
19. Kimi Räikkönen (Finnland) – Alfa Romeo 1:27,525
20. Nikita Masepin (Russland) – Haas 1:28,449